Aufwachsen im Überfluss, ahnen der Grenzen
Ich will nicht darüber streiten, wer die „verlorene Generation“ ist. Mich beschäftigt, warum man sich verloren fühlen kann, obwohl man Frieden und Wohlstand geerbt hat. Ich bin ein Kind von Eltern, die die letzten Kriegsjahre noch streiften – geboren Mitte der 70er, Mangel kannte ich nur aus Erzählungen, und wachsender Beobachtung. Früh wurde klar: Unser Fortschritt fraß seine Grundlagen schneller, als wir Begriffe dafür fanden.
Wir, die angeblich Verwöhnten, haben nicht nur zugesehen. Wir haben versucht, unser Verhalten zu ändern. Wir haben diskutiert – mit Gleichaltrigen und mit den Älteren. Wir haben Gemeinschaft eingefordert, Zukunft beschworen, Kompromisse gesucht. Wir haben sozialdemokratisch gewählt, liberal gewählt, grün gewählt, und ja: auch mal links und mal konservativ gewählt. Jeden Tag, je nach Situation, eben „Mitten im Leben“, nicht nur am Ende einer Legislaturperiode. Immer und immer wieder.
Transparenzhinweis: Dieser Text stammt inhaltlich aus meiner Feder, wurde aber mit Hilfe von KI gekürzt, um- und ausformuliert.
Demografie als unsichtbare Macht
Doch vieles verpuffte. Was wir erreichten, wurde allzu oft an der Wahlurne wieder eingeholt – von Eltern und Großeltern, die zahlreicher waren als wir und länger lebten als Generationen vor ihnen. In einer Demokratie zählt jede Stimme gleich. Aber Demografie ist eine Macht. Und so bekamen wir bestenfalls die Brotkrumen, die nötig waren, um den sozialen Frieden scheinbar zu wahren.
Doch dieser „soziale Frieden“ ist ein Trugbild: Ruhe an der Oberfläche, erkauft durch Verschuldung, Subventionen und das Verschieben von Kosten in die Zukunft. Er dämpft Konflikte, aber verteilt den Schmerz unsichtbar – auf Jüngere, auf Menschen ohne Besitz, auf Pflege- und Lehrkräfte, auf alle ohne starke Lobby – und auf Ökosysteme, die keine Stimme haben. Stabil wirkt das nur, solange man nicht hinschaut: Wartelisten werden länger, Standards werden weicher, Erhalt ersetzt Erneuerung. Das Schweigen gilt als Einigkeit – tatsächlich ist es oft nur Erschöpfung.
„Verändert die Welt!“ – aber bitte ohne Verzicht
Veränderung sollte immer ohne Verzicht gehen: nicht am Wahlzettel, nicht am eigenen Lebensstil, nicht am gewohnten Aufwärtsnarrativ. Der Vorwurf: Wir haben dieses Land aufgebaut, wir haben gearbeitet, gespart, Steuern gezahlt – verdient euch erst vergleichbare Lebensleistungen und Sicherheiten, bevor ihr Ansprüche stellt oder Kritik übt. Und vor allem: Rührt am Erreichten nicht. Erst leisten wie wir, dann reden wir über Verzicht.
So wird jede Forderung nach Umbau zur Drohung der Wegnahme – und damit vertagt. Menschlich verständlich – und doch Realitätsfremd, ein Wunsch, der die Bruchlinien vertieft.
Veränderung ohne Verlust gibt es nicht – schon gar nicht, wenn der Planet die Rechnung stellt.
Zwischen Pflicht und Ohnmacht
Dieser Widerspruch hat mich geprägt. Wir sind mit der Aufforderung groß geworden, Verantwortung zu übernehmen – und mit der Erfahrung, an Strukturen abzuprallen, die genau diese Verantwortung vertagen. Wir haben gehofft, gestritten, gewählt, verzichtet – und sehen uns heute doch von einer Ernüchterung erfasst, die schwerer wiegt als jede moralische Predigt: Resignation.
Resignation darüber, dass wir vieles wussten und trotzdem so wenig drehten. Dass sich die großen Versprechen – ökologische Vernunft, soziale Gerechtigkeit, digitale Mündigkeit – zu oft im Kleingedruckten verhakten. Dass wir zwischen Pflicht und Ohnmacht alt werden.
Sind wir damit eine verlorene Generation? Vielleicht. Nicht, weil wir nichts wollten. Sondern, weil wir zu selten die Macht hatten, das Gewollte durchzusetzen. Verloren nicht an Zynismus, sondern an eine schiefe Statik aus Gewohnheit, Besitzstand und dem beruhigenden Mythos vom endlosen Wachstum.
Und doch: Wenn ich dieses Wort in den Mund nehme, dann nicht, um Schuld zuzuteilen. Es ist ein Lagebericht. Einer, der benennt, wie Zukunft an Gegenwart scheitert, sobald das Morgen nur dann willkommen ist, wenn es das Gestern unberührt lässt.
Gegenwart: Nach uns die Sintflut?
Und es ist nicht nur „die ältere Generation“. Heute sind es auch wir, die an der Wahlurne immer öfter im Sinne der Besitzstände entscheiden. Nach Jahren der Krisen und der wachsenden Unsicherheit wirkt das Versprechen des Status quo betörend: Wenn wir die Welt schon nicht retten können, dann soll es uns wenigstens bis zum Schluss an nichts mangeln. Nach uns die Sintflut.
Ich nehme mich da nicht aus. Wir halten am Sparkonto und ETF-Depot fest, am Auto für den täglichen Arbeitsweg und an der Gasheizung im Keller. Wir verteidigen günstigen Sprit und den Kurzflug im Sommer, die gewohnte Pendlerpauschale und das Modell der ständigen Verfügbarkeit – und wählen Sicherheit vor Veränderung. Menschlich? Ja. Aber politisch fatal. Denn Mehrheiten entstehen so nicht aus Einsicht, sondern aus Komfort. Wir verschieben die Zukunft Stück für Stück nach hinten: Investitionen weichen Entlastungen – Steuersenkungen statt Mittel für Schiene, Schulen und Wärmenetze; Umbau weicht Aufschub – Fristen werden verlängert, Vorgaben verwässert, Förderstopps verhängt; Transformation wird zur Phrase – endlose Pilotprojekte, „Technologieoffenheit“ als Ausrede, Strategiepapiere ohne Umsetzung.
Die Folgen sehen wir seit Jahren: marode Brücken und Schulgebäude, überlastete Bahnstrecken und häufige Zugausfälle, Schlaglöcher und gesperrte Tunnel, langsames Internet auf dem Land, stockender Wind- und Netzausbau sowie teure und unsichere Energieimporte.
Was bleibt – trotz Resignation?
Vielleicht bescheidene, dafür ehrliche Sätze. Dass Fortschritt kein anderes Wort für „mehr“ ist, sondern für „anders“. Dass Verzicht nicht moralisch, sondern mathematisch ist. Dass Demokratie mehr braucht als Recht haben: Sie braucht Mehrheiten, Geduld – und die Bereitschaft, die eigene Komfortzone nicht zur politischen Leitplanke zu machen.
Gegenwart bedeutet deshalb: Solidarität nicht nur rückwärts (für Rente, Pflege, Sicherheit), sondern auch vorwärts (für Klima, Bildung, Infrastruktur). Sonst vererben wir Stabilität von gestern und Instabilität von morgen.
Fazit
Fast ein halbes Jahrhundert nach meiner Geburt spüre ich Resignation. Aber sie bekommt nicht das letzte Wort. Demokratie heißt nicht nur Recht haben, sondern Mehrheiten gewinnen – auch gegen bequeme Gewohnheiten.
Wenn wir schon „verloren“ sind, dann bitte nicht an die Bequemlichkeit, sondern an die Klarheit: Dinge beim Namen nennen, kleine Realitäten schaffen, die Schule machen. Eine verlorene Generation ist tragisch. Eine verlorene Spezies wäre endgültig. Noch sind wir nicht so weit.
Ich habe absichtlich dem Thema Migrationspolitik hier keinen Raum gegeben, nur kurz zur Einordnung: Auch dies ist ein Faktor in der Gleichung, weniger Ursache denn Wirkung unseres kollektiven Versagens. Sicher kein Hebel der das Steuer rumreißen würde, nicht einmal um ein paar Grad.